Volle Fahrt voraus – Hannover hisst die Rockflagge
Moin Moin, ihr Seelenverwandten des gepflegten Lärms!
Am 5. Juli 2025 war’s so weit: Die Scorpions riefen zum großen Jubiläums-Konzert – 60 Jahre auf den Bühnen der Welt! Und wo sonst als in ihrer Heimatstadt Hannover sollte dieses Spektakel stattfinden? Das Heinrich-von-Heiden-Stadion war nahezu ausverkauft, das Wetter spielte mit, und der Tag versprach eine volle Breitseite Rock-Geschichte.
Euer Messer-Jack war an Bord, bewaffnet mit Notizblock, Fernrohr und jeder Menge Vorfreude – um für EMP und die Piratencrew zu berichten, wie die Rock-Veteranen gemeinsam mit ihren Gästen das Deck zum Beben brachten.
Das Publikum? Eine wilde Mischung aus Jungmatrosen, ergrauten Altrockern, Festivalveteranen und ganzen Familiengenerationen – vereint unter dem Banner der Liebe zur Musik. Schon beim Einlass um 15:00 Uhr lag eine besondere Spannung in der Luft. Und mit einem Line-Up wie diesem konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Rosy Vista – Mit voller Breitseite voraus
Pünktlich um 15:30 Uhr eröffneten Rosy Vista den Tag – und die Damen machten vom ersten Akkord an klar, dass sie trotz ihrer langen Bandgeschichte nichts von ihrer Power verloren haben. Ursprünglich bereits in den 80ern gegründet und als erste rein weibliche Hard-Rock-Band Deutschlands bekannt geworden, verschwand die Crew einst für Jahrzehnte im Nebel – nur um 2019 wie ein Sturm aus dem Nichts zurückzukehren.
Mit donnernden Gitarren, klassischem Hard-Rock-Sound und ordentlich Charisma sorgten sie für einen fulminanten Start. Besonders beeindruckend: Der Auftritt war kein Abklatsch vergangener Tage, sondern klang frisch, kraftvoll und voller Energie. Rosy Vista zeigten eindrucksvoll, dass sie den jüngeren Bands in nichts nachstehen – echte Seebärenpower in High Heels!
Bülent Ceylan & Band – Comedy trifft Headbangen
Was im ersten Moment nach Kursabweichung klang, entpuppte sich als clevere Navigation: Bülent Ceylan betrat mit seiner Band die Bühne und verband auf äußerst unterhaltsame Weise scharfsinnigen Humor mit einer satten Portion Metal. Klar, er ist eigentlich Komiker – aber wer Bülent kennt, weiß: Der Mann hat das Herz eines Metalheads.
Zwischen lauten Riffs, tightem Drumming und kabarettistischen Spitzen bewies seine Band, dass man auch mit einem Augenzwinkern mächtig Druck machen kann. Das Publikum war jedenfalls hellauf begeistert. Es wurde gelacht, gebangt und mitgesungen – und so mancher Seemann, der sich eigentlich nur über die Wellen legen wollte, wurde plötzlich selbst zur Sturmfront. Ein Auftritt, der überraschte – und im Gedächtnis blieb.
Alice Cooper – Der dunkle Zeremonienmeister
Als Alice Cooper schließlich um 17:35 Uhr das Deck betrat, wurde es auf einen Schlag dunkel – nicht wegen des Wetters, sondern wegen der Atmosphäre. Der Altmeister des Shock Rock verwandelte die Bühne in ein makabres Theater, irgendwo zwischen Zirkus, Friedhof und Rock’n’Roll-Oper. Mit 76 Jahren ist er kein junger Spund mehr – aber das tut seinem Charisma keinen Abbruch. Er führte seine Crew und das Publikum durch eine perfekt inszenierte Show voller Pathos, schwarzem Humor und Nostalgie.
Bereits mit Klassikern wie „No More Mr. Nice Guy“, „Hey Stoopid“ und „Poison“ hatte er das Publikum fest im Griff. Die Choreografie, die Requisiten, die düsteren Zwischenspiele – alles saß wie der Dreispitz auf einem Admiral. Besonders stark: der Gitarrensolo-Ausbruch von Nita Strauss, die mit Präzision und Leidenschaft zeigte, warum sie zu den besten ihres Fachs zählt.
Beim letzten Song „School’s Out“ tobte das Stadion, als Alice Cooper mit Schnipseln von Pink Floyds „Another Brick in the Wall“ ein musikalisches Denkmal setzte. Der Kapitän mag alt sein – aber sein Schiff segelt noch immer durch Sturm und Nebel, als wär’s der erste Tag.
Judas Priest – Die Panzerkreuzer des Heavy Metal
Was Alice an Theatralik mitbrachte, glich Judas Priest mit brachialer Kraft aus. Ab 19:15 Uhr feuerten sie ein reines Feuerwerk aus Heavy Metal ins Publikum. Seit über fünf Jahrzehnten sind sie ein Bollwerk des Genres, und das bewiesen sie auch hier mit jedem Riff, jedem Schrei, jedem Trommelschlag.
„Freewheel Burning“, „You’ve Got Another Thing Comin’“, „Breaking the Law“, „Painkiller“ – jede Nummer ein Kanonenschlag, jeder Song ein Klassiker. Rob Halford stand wie ein eiserner Koloss auf der Bühne, seine Stimme nach wie vor durchdringend wie ein Nebelhorn bei Sturm. Die Band war tight, fokussiert, und bereit, alles niederzuwalzen.
Besonders beeindruckend: der blitzsaubere Sound – kein Rauschen, kein Matsch, kein technischer Aussetzer. Die Crew wusste genau, was sie tat. Kein Firlefanz – nur reiner, ehrlicher, kraftvoller Metal, der die Bretter zum Glühen brachte.
Scorpions – Heimathafen der Herzen
Dann kam der Moment, auf den alle gewartet hatten. Zwar war der Auftritt für 21:15 Uhr angesetzt, doch die Scorpions ließen sich noch eine halbe Stunde bitten. Die Menge reagierte mit Geduld, Wellen und gelegentlichen Pfiffen – und dann war es endlich so weit: Das Intro erklang, und der erste Ton von „Coming Home“ rollte über die Köpfe der Menge wie eine Bugwelle aus Erinnerungen.
Die Band, gegründet 1965, ist ohne Zweifel das Flaggschiff des deutschen Rockexports. Und obwohl man ihnen die Jahre natürlich ansieht und anhört – Klaus Meine, Rudolf Schenker und Matthias Jabs liefern nach wie vor eine Show, die manch jüngerer Truppe als Vorbild dienen sollte. Mit dabei auch Paweł Mąciwoda am Bass und der unerschütterliche Mikkey Dee (Ex-Motörhead) am Schlagzeug, der mit einem explosiven Solo das Schiff beinahe aus dem Wasser hob.
Das Set war eine Reise durch alle Dekaden: von „Make It Real“ über das epische „The Zoo“, das Instrumentalstück „Coast to Coast“ bis hin zum legendären „Wind of Change“, das wie ein kollektiver Rückblick auf bewegte Zeiten wirkte. Besonders ergreifend war der Einsatz der leuchtenden Armbänder, die per Technik gesteuert wurden und das gesamte Stadion in Wellen aus Licht tauchten – ein Bild für die Ewigkeit.
Als „Rock You Like a Hurricane“ das Finale einläutete, war jeder Zweifel weggefegt: Die Scorpions können es noch. Vielleicht nicht mehr so ungestüm wie einst – aber mit Würde, Erfahrung und Herz.
Eine Nacht voller Legenden – und ein bittersüßer Nachhall
Was bleibt nach so einem Abend? Ein Gefühl zwischen purer Begeisterung und leiser Melancholie. Alle Bands, ob Rosy Vista, Bülent Ceylan, Alice Cooper, Judas Priest oder die Scorpions selbst, lieferten großartige Auftritte – jeder auf seine Weise, jeder mit eigener Handschrift. Die Technik funktionierte einwandfrei, die Showelemente waren durchdacht, die Organisation top.
Doch bei aller Euphorie bleibt auch die Erkenntnis: Unsere Rockhelden von einst werden älter. Man sah es ihnen an, man hörte es mitunter – aber gerade das machte den Abend so besonders. Denn es war nicht einfach nur ein Konzert. Es war ein Abschied von der Unsterblichkeit, ein Moment, der das Herz rührte. Wie lange werden wir sie noch sehen? Wir wissen es nicht – doch dieser Abend hat uns gezeigt: Sie sind noch da. Und sie werden bleiben – in unseren Herzen, in unseren Ohren, und in jeder verdammten Note, die wir in den Wind schreien.
In diesem Sinne – auf die nächsten 60 Jahre!
Euer Messer-Jack für EMP und die treue Piratencrew