HOPE TILL DECEMBER: Lautstark kündigt sich das neue Album „Hell Is Home, Home Is Good“ an
as Leben fordert einen heraus. Es besteht nicht nur aus Wut oder Trauer oder Freude. Wir sind zornig und manchmal auch verbittert darüber, was uns geschehen ist. Wir denken, längst den sanften Geschmack des Friedens auf der Zunge zu spüren, dabei lecken wir in Wirklichkeit immer noch unsere Wunden. Manchmal trauern wir über Verlorenes oder darüber, nicht alles umsetzen zu können, was wir uns erträumt haben. Dann wieder gibt es Momente, in denen wir ganz bei uns sind. Voll im Fokus, im Flow, in der tätigen Freude dessen, was wir richtig gut können und lieben.
Das zweite Album der Wiener von HOPE TILL DECEMBER vereint all diese Gefühle. Im einen Moment möchte man zu den Breakdowns von „Gasoline“ oder „Coffin Shaped Lungs“ kathartisch um sich schlagen und hofft, dass es im Moshpit noch andere geben wird, die ein paar Tropfen Blut unter Freunden genießen, statt einfach nur filmend das Handy hochzuhalten. Im anderen wirft man sich in die fremden Arme des Mitmenschen und singt mit ihm gemeinsam die Hookline herzlich-garstiger Midtempo-Brecher wie „Pray For Me“ oder „Clear Eyes And Open Hearts“ aus voller Kehle. Im dritten möchte man exakt in dem Moment, wo „Dissonant Smile“ nach einem Mosh-Part wieder Fahrt aufnimmt, auf die Bühne, um zu der sich öffnenden Melodie, die aus dem Schmerz heraus das Leben bejaht, wieder in die Menge zu stürzen.
Getrieben vom Wechselspiel aus Dissonanz und Harmonie, sucht das Quartett in jedem Takt nach dem inneren Frieden, der zur grimmigen Freude des Publikums nicht so leicht zu finden ist. Die Gitarren treiben diesen Kampf einerseits voran und schichten andererseits Stein auf Stein eine wuchtige Wall of Sound auf. Die Stimmfarben von Sänger Michael Krüger und Bassist Patrick „Herzal“ Schmid reiben sich aneinander und am leidenschaftlichen Ringen zwischen Schmerz und Freude. Genrebegriffe wie Metalcore oder Post Hardcore bilden zwar die Basis des Geschehens, greifen aber viel zu kurz, wenn die Kompromisslosigkeit am Noiserock kratzt und das Gefühl dieser Songs zugleich an Hot Water Music, The Draft oder Bokassa erinnert, an den Schweiß und die Tränen dessen, was man Heartcore nennen darf.
Das Leben kann schnell enden. Auf dem Cover von „Hell Is Home, Home Is Good“ brennt das Haus. Alles steht in Flammen und es scheint keinen Ausweg zu geben, doch hört man die Musik zu diesem dramatisch-hoffnungslosen Artwork, sieht man die Bewohner zugleich über die angrenzenden Felder flüchten. Sie haben es rausgeschafft, gerade noch, müssen schreiend zusehen, wie das Zuhause verbrennt, ahnen aber bereits, dass es einen neuen Morgen geben wird. Denn sie haben alles überlebt, den Schmerz, die Fehler, die tiefsten Tiefen. Wir gehen mit ihnen durch diese Emotionen und setzen sie ihnen gleich nochmal aus, denn es gibt so viel zu beißen und zu fühlen auf dieser Platte, dass wir sie nach dem letzten Ton erneut von vorne starten. Weil wir eben auch zornig sind, ängstlich und traurig und zugleich voller Freude und Hoffnung – und weil es gut tut, in HOPE TILL DECEMBER ein paar Seelenverwandte zu wissen, die das mit uns ausleben.